Corpus der nautisch-maritimen Papyri und Ostraka (CNMPO). Antike Dokumente für die schifffahrtshistorische Forschung und ihre Auswertung für Simulations- und Quantifizierungsmodelle
Das Projekt verfolgt das Ziel, sämtliche papyrologischen Quellen zu erfassen, die Informationen über Schiffe, Schiffsbesatzungen, Schiffsausrüstung sowie Reise- und Transportleistungen im griechisch-römischen Ägypten bieten. Neben prosopographischen und schifffahrtsarchäologischen Themen kann eine derartige Quellenzusammenstellung insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte zahlreiche neue Erkenntnisse liefern. Die Quellen sollen zunächst in einem digitalen Corpus gesammelt und hinsichtlich ihrer ökonomischen Themen kommentiert werden. Insbesondere die für den Nil und die Nebenkanäle zu gewinnenden Informationen zu Transportzeiten sollen untersucht werden. Basierend auf dem Corpus ergeben sich vielfältige Quantifizierungsmöglichkeiten zum Binnentransport sowie zum Fernhandel. Wichtig ist, dass neben den ca. 50.000 Papyri und Ostraka nicht nur sämtliche Daten zu Fließgeschwindigkeit, Nilständen und Kanalpflege aus den antiken Quellen, sondern auch Vergleichsmaterial aus der arabischen Überlieferung, etwa Ibn Battuta, sowie aus den Berichten früher Ägyptenreisender, etwa Georg Schweinfurth, berücksichtigt werden, um ein möglichst dichtes Datennetz zu erarbeiten.
Im zweiten Schritt sollen in Kooperation mit dem Zentrum für Informationsmodellierung (Austrian Centre for Digital Humanities; Universität Graz) dynamische Simulationsmodellierungen erarbeitet werden, die Fahrtzeiten und Personaleinsatz, separiert nach unterschiedlichen Schiffsgrößen, für jeden Kalendermonat in Ägypten rekonstruierbar und in einer Datenbank abrufbar machen. Das Quellenmaterial, wenn es umfassend zusammengestellt und analysiert ist, bietet hierfür eine hinreichende Datenmenge.
Für die Geschichte der ägyptischen Binnenwasserstraßen können so neue Erkenntnisse gewonnen und authentische Daten für die Berechnung von Transport- und Kommunikationszeiten ermittelt werden. Diverse Kosten (Personal, Material, Zölle etc.) können darauf aufbauend ebenfalls erschlossen werden.
Grundvoraussetzung für die Modellierung von Simulationen ist die umfassende Aufarbeitung sämtlicher Quellen. Bisher erschöpft sich die Forschung in groben Schätzungen oder pickt einzelne ‚Rosinen‘ aus den Quellen heraus, deren Aussagen über Fahrzeiten dann verallgemeinert werden. Erstmals könnten mittels der Analyse des Corpus und der begleitenden Simulationen quantifizierende Aussagen auf eine solide kalkulatorische Basis gestellt werden. Darüber hinaus kann auch das rhythmische Reise- und Transportaufkommen innerhalb des landwirtschaftlichen Jahres in Ägypten simuliert werden.